Wir haben uns entschieden, euch aus unterschiedlichen Perspektiven mit unterschiedlichen Schwerpunkten unseren Eindruck von den Ende Gelände-Aktionstagen zu vermitteln. Die Berichte sind subjektiv und nur aus der Sicht einzelner Aktivist_innen verfasst.
Hier ist der zweite Bericht:
JunepA in der Grube und die Reaktion von Vattenfall und Polizei
Als ich gemerkt habe, dass sich uns kein Polizist in den Weg stellen wird, dass keine Wachfrau von Vattenfall eine Eisenstange in die Hand nimmt und dass wir in dieser Grube einfach absolut ignoriert werden, habe ich mir ein bisschen Sorgen gemacht.
Sonst war es immer ein gutes Zeichen für mich, wenn wir auf Widerstand gestoßen sind. Natürlich nicht aus staats- und repressionskritischer Sicht, aber aus der aktionstechnischen Perspektive. Wenn wir bei Aktionen geräumt wurden, dann hieß das für mich, dass wir erfolgreich gestört haben.
Da kam ich mir komisch vor, als wir da so ganz allein in der Grube rumgestapft sind.
Wir waren uns einig: Das ist die beste Strategie, die Vattenfall fahren konnte: So gab es keine schlechten Bilder. Dass wir kommen und dass wir diese Aktion “gewinnen”, war ihnen wohl sowieso klar. Doch so hatte unsere Besetzung im Moment der Aktion wenig Resonanz, ich habe mich fast ein bisschen verloren und ungesehen gefühlt in dieser Kohlewüste.
Und dann ist uns eingefallen:
Das alles ist auch ein großer Gewinn. Die lassen uns hier einfach machen. Wenn auch nur für ein Wochenende: Diese Grube hat uns gehört. Es war unser Refugium, wir konnten dort machen, was wir wollten. Und diese Freiheit hat uns in Erinnerung gerufen, wessen Land das eigentlich ist. Das ist unser aller Land, Vattenfall kann darauf keinen Anspruch erheben, nur weil sie irgendwann mal Millionen dafür gezahlt haben. In diesen Stunden haben wir uns das Land zurück erobert.
Uns war klar, dass das alles auch wieder ein Ende haben würde. Und trotzdem war dieser Moment, in dem wir verstanden haben, was für eine Symbolkraft das alles hat, erhebend.
Wir sind morgens auf dem Bagger aufgewacht, die Nacht war hart und kalt. Als die Sonne über den Kohlebergen aufgegangen ist, kam mir dieser Satz in den Sinn:
“Die Morgenröte der Revolution erstrahlt nicht nach einer durchschlafenen Nacht”.
Wir sind dann also aufgewacht, nach einer nicht-durchschlafenen Nacht und hatten ein bisschen das Gefühl, dass wir unsere eigene Utopie leben konnten.
Und warum hat Vattenfall uns einfach machen lassen? Warum haben sie sich die Möglichkeit genommen, uns von “ihrem” Gelände zu vertreiben und uns damit ihre Macht zu demonstrieren?
Das ist wohl der Verdienst von jahrelanger Tradition Zivilen Ungehorsams in Deutschland und Europa. So viele Kämpfe mussten gekämpft werden, bis wir an diesem Punkt angekommen sind, an dem es für einen milliardenschweren Staatskonzern besser ist, ihr Betriebsgelände von uns okkupieren zu lassen, als gegen uns vorzugehen.
Sie haben uns 48 Stunden lang eine (sehr staubige) Bühne geboten, auf der wir all das tun konnten, was wir wollten: Wir haben unsere freien Republiken auf den Baggern gegründet und gezeigt, dass ein ungestörter Kohleabbau mit uns nicht möglich ist.