Wir kamen zusammen am Landesgericht in Köln an. Die Stimmung bei uns war gelassen.
An der geschlossenen Tür zum Gerichtssaal angekommen war es noch einige Minuten vor 13 Uhr. Wir nutzten die Zeit etwas Schokolade zu essen.
Unsere Verteidigerin grüßte uns alle sehr freundlich und sprach uns Mut zu. Wir fuhren also fort, unseren Blutzuckerspiegel zu heben. Nach einigen Minuten wurden wir rein gebeten.
Im Gericht zu sitzen ist eine komische Erfahrung. Es gelten eigene Regeln und Sprache bekommt eine deutlich schwerwiegendere Bedeutung.
Da es für uns alle auf der Anklageseite der erste Prozess war, verließen wir uns auf die Rechtsanwältin, die passenden Worte zu finden, um das Gericht von der Legitimität unserer Aktion zu überzeugen.
Der Prozess begann und die Anklageschrift wurde verlesen. Zwei Personen waren wegen Hausfriedensbruch angeklagt und die dritte, wegen “gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruch”. Der Richter schien ganz locker und gut gelaunt zu sein. Er meinte, dass das Gericht die Anzeige gerne fallengelassen hätte. Die Staatsanwaltschaft stellte jedoch gleich mehrere Strafanträge, um das zu verhindern.
Bei unserer Stellungnahme verlas eine Person unseren gemeinsam verfassten Text, in dem wir auf die Gefahren von den im geheimen geplanten Handelsabkommen hingewiesen haben und wie wichtig spektakuläre Aktionen wie unsere sind, um in unserer heutigen Gesellschafft auf derartige Missstände hinzuweisen.
Die Staatsanwältin versuchte sofort, mehr als auffällig nach belastenden Informationen zu fischen.
Es kam zur Zeugenbefragung. Zuerst schilderte ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn, wie er von der Aktion erfuhr und sprach davon, dass auf mehr als 5 Gleise über Minuten hinweg keine Züge fuhren und Oberleitungen abgeschaltet waren. Ich versuchte mich erfolglos daran zu erinnern, ob unter uns über längere Zeit keine Züge durch rauschten.
Daraufhin folgten die Zeugenaussagen von zwei Polizeibeamten. Sie sprachen fast lobend von unseren Fähigkeiten beim Klettern und dem Kontakt während und nach der Aktion.
Die Beamten hatten die Aktion klar als politisch motivierte Versammlung aufgefasst. In dem Moment, als die Staatsanwältin begriff, worauf unsere Verteidigung hinauswollte, fiel sie unserer Anwältin während der Befragung wieder ins Wort. Es passte ihr scheinbar gar nicht, diese Aktion als Versammlung zu sehen.
Darauf erhielt sie eine Rüge von unserer Anwältin, das Versammlungsgesetz ausschließlich unter dem Aspekt des Strafbestandes zu sehen.
Die Staatsanwältin verlangte für uns alle 40 Tagessätze, da wir solche Aktionen gut heißen und wir durch unser Handeln, “nicht unerheblich” den Bahnverkehr beeinträchtigt hätten (zwei Züge seien insgesamt 7 Minuten zu spät gekommen).
Unsere Anwältin wiederum, verlangte Freispruch und stützte sich aufgrund der unklaren Sachlage, wie wir dort hingekommen seien und des nicht genannten Zeitpunktes der Aufforderung zum Verlassen des Gerüstes. Außerdem seien Versammlungen, die auch in öffentlichen Gebäuden abgehalten werden, grundsätzlich erst mal zu Schützen.
Eine lange Stille trat ein. Es waren einige Pressemenschen in den Zuschauerreihen und schrieben fleißig Notizen für ihre Redaktion.
Der Richter war mit dem Schreiben des Urteils fertig und alle erhoben sich, um es zu hören. Er folgte ganz der Staatsanwaltschaft und verurteilte uns zu jeweils 40 Tagessätzen. Er ignorierte nicht nur die Einschätzung unserer Fähigkeiten der Polizei, er sah völlig darüber hinweg, dass es zu den tatsächlichen Ausfällen des Schienenverkehrs widersprüchliche Angaben gibt (Anklage: 2 Gleise ~7 min, Zeuge der Bahn: +5 Gleise +15 min). Von der Legitimität Zivilen Ungehorsams und die Notwendigkeit spektakulärer Aktionen bei derartigen Ungerechtigkeiten wollte er überhaupt nichts wissen.
Wie eine Person von uns wegen Hausfriedensbruchs verurteilt werden kann, wenn sie keinen begannen hat, bleibt mir schleierhaft.
Vor dem Landgericht, breiteten wir das Banner von der Aktion, weswegen wir angeklagt waren aus und machten ein Foto. In dem Moment kamen mehrere Justizangestellte auf uns zu und forderten uns durch aggressives Rufen dazu auf, mit dem Banner wegzugehen. Es sei verboten auf dem Gelände des Gerichtes zu demonstrieren und einer der Beamten warf mit wüsten Drohungen um sich, unter anderem, dass er berechtigt sei uns körperliche Gewalt anzutun. Nachdem unsere Anwältin ein paar schlichtende Worte sagte, gingen die Beamten wieder. Empört über das, was gerade passiert war, überlegten wir kurz, das Foto auf dem Grünstreifen zu machen, als unsere Unterstützerin mit dem Handy ankahm und mit einem Grinsen sagte, dass das Foto bereits im Kasten ist
Schon verrückt was für einen Ärger so ein Stück Stoff verursachen kann.