Unsere Eindrücke von den G7-Protesten

Mit ausreichender Verspätung prästentieren wir euch hier zwei Beriche vom G7-Gipfel – in gewohnter Vielfalt den einen sehr subjetiv, den anderen sehr analytisch gehalten. Viel Spaß beim Lesen!

Version 1:
Der Erlebnisbericht

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Wir haben uns im letzten Sommer entschieden, dass wir den G7-Gipfel nicht einfach geschehen lassen können, ohne dass wir klar und deutlich zeigen, dass wir mit dem Gipfel an sich und mit der Politik der Gipfelteilnehmer_innen nicht einverstanden sind. Seitdem haben wir mal mehr und mal weniger intensiv daran gearbeitet, Aktionskonzepte zu entwerfen, Menschen zu Mobilisieren und uns ganz persönlich auf die Gipfeltage vorzubereiten. Vor allem in den letzten Wochen vor dem Gipfel haben einige von uns sehr viel gemacht, um die Aktionen erfolgreich werden zu lassen.

 

Umso mehr waren wir gespannt und aufgeregt, als es dann tatsächlich losging. Für uns von JunepA haben die Aktionstage schon früher angefangen, als für viele andere, weil wir uns entschieden haben, am Donnerstag vor dem Gipfel ein riesiges Banner mit Kletter_innen im Münchener Bahnhof aufzuhängen, auf dem wir die Menschen dazu einladen, genau so wie wir die Gipfel-Poltiker_innen und ihre Versorgung zu blockieren.

Vom Erfolg und den positven Rückmeldungen der Banneraktion motiviert, sind einige von uns noch Donnerstagnacht mit dem letzten Zug nach Garmisch-Partenkirchen gefahren. Dort angekommen hat sich unsere Motivation eher in Wut und Genervtheit verwandelt, weil alle Reisende des Schienenersatzverkehrs aus München beim Aussteigen von der Polizei ausführlich untersucht wurden. Nachdem wir dann um ca. 2.30 Uhr endlich wieder unsere zerpflückten Sachen in unsere Rucksäcke einpacken durften, sind wir alle zusammen zum Camp gegangen, das uns mit dunklen Zeltsilhouetten und Essen empfangen hat.

Der Morgen kam schnell – und mit ihm auch die Sonne. Es waren schon morgens knapp 30° C, so dass wir uns immer, wenn wir in Ruhe miteinander sprechen wollten, erstmal einen Platz im Schatten suchen mussten. An so einem Schattenplatz haben wir nach der Antimilitarismusdemo dann auch unsere Bezugsgruppe(n) gebildet, mit der wir in die Aktion gehen wollten. Es folgten Camp-Plena, die sich mit Bezugsgruppentreffen, Essenspausen und spontanen Demos abwechselten, so dass wir am Freitagabend alle sehr erschöpft waren – ohne einen wirklichen Plan vom morgigen Aktionstag zu haben.

Der begann eben so früh und heiß wie der letzte Tag. Um 12 Uhr sind wir gemeinsam vom Camp aus ins Zentrum von Garmisch-Partenkirchen gegangen, von wo aus die große Demo starten sollte. Nach einigen Demo-Block-Positionierungsschwierigkeiten hatten wir dann irgendwann den Platz im Demozug gefunden, in dem wir uns einigermaßen wohlgefühlt haben. Es blieb nun nur noch das Problem, dass offenbar niemand einen Plan hatte, wann und ob die Blockade losgehen sollte. Das hat bei uns für große Verunsicherung gesorgt, weil wir eindeutig mit dem Ziel gekommen waren, zu blockieren und wir das (im Notfall auch ohne die anderen Menschen aus der Demo) erreichen wollten.

Irgendwann waren wir an dem Punkt, an dem die Zwischenkundgebung und angeblich auch die Blockade stattfinden sollte. Da wir von vorne Geschrei hörten und Polzist_innen mit Helmen an uns vorbei gerannt sind, haben wir uns (entgegen unserem wir müssen stehenbleiben, um alles zu überblicken-Instinkt) dafür entschieden, uns hinzusetzen, damit wir nicht zurückgedrängt werden können. Uns war nämlich klar: Einen besseren Blockadeplatz als diesen hier werden wir nicht mehr bekommen. Zwischendurch haben wir es sogar geschafft, andere Menschen zum Hinsetzen zu motivieren, soch spätestens als durch den Lautsprecher durchgesagt wurde, dass dies keine sinnvolle Stelle zum Blockieren sei, haben sich alle auf den Rückweg gemacht – ungeachtet dessen, dass unsere Bezugsgruppe da völlig anderer Meinung war.

Auf dem Rückweg waren wir so unentschlossen und enttäuscht, dass wir irgendwann im Presseblock gelandet sind und nur noch möglichst schnell ins Camp wollten. Da konnten wir jedoch nicht mehr hin, weil es auf einmal anfing, höllisch zu regnen und das Camp evakuiert wurde. Wir waren sofort von oben bis unten durchnässt, hatten jedoch keinen Ort, an dem wir uns aufwärmen und unsere Sachen trocknen konnten. So verweilten wir ein paar Stunden in einem Hauseingang und auf einer überdachten Brücke, bis wir endlich wieder ins Camp konnten – um dort unsere durchnässten Sachen aus dem Matsch zu fischen. Der Tag endete also mit großer Enttäuschung darüber, dass keine Blockade zustande gekommen war und mit wenig Hoffnung darauf, dass wir es noch einmal schaffen würden, so nah an eine Stelle zu kommen, an der es sich lohnt zu blockieren.

Zum Glück brachte der nächste Tag wieder Sonne und wir einigten uns voller neuer Motivation darauf, in kleinen Gruppen vom Camp aus loszuschwärmen und uns zu einer bestimmten Uhrzeit an einer (für die G7-Teilnehmer) wichtigen Kreuzung zu treffen, um dort zu blockieren. Unsere Bezugsgruppe ist in den kleinen Nebenstraßen Garmischs, durch die wir absichtlich gegangen sind, immer wieder besonderer bayerischer Architektur, aber auch Polzeiwagen begegnet, so dass wir nicht wirklich davon ausgegangen sind, dass wir es ungehindert auf die B2 (die Straße, die wir blockieren wollten) schaffen. Natürlich sind wir trotzdem ganz selbstbewusst und bestimmt auf die Straße zuspaziert und waren dann tatsächlich auf einmal auf der B2. Wir haben uns geeinigt uns breit über die Straße zu verteilen und in Richtung der Kreuzung zu gehen, wo wir uns mit den anderen Bezugsgruppen treffen wollten. Auf einmal haben ein paar Polzist_innen uns entdeckt und waren der Meinung wir würden von der Straße runter gehen, wenn sie uns darum bitten. Auch der Versuch uns mit einer Polizeikette auszuhalten, hatte wenig Erfolg, da es so schien, als wären die Polizist_innen nicht darauf vorbereitet gewesen, dass wir wirklich so unverschämt sein könnten, sie komplett zu ignorieren. Als die Polizeikette passiert war, haben wir am Straßenrand mehrere Bezugsgruppen gesehen, die relativ unentschlossen dastanden und sich scheinbar nicht dazu hinreißen lassen konnten, die Straße zu betreten, um sie zu blockieren. Doch als sie gesehen haben, dass wir auf der Straße angelaufen kamen, haben sie sich glücklicherweise doch dazu entschieden, sich auf die Straße zu setzen, so dass wir uns nur noch zu ihnen setzen mussten – und die Blockade war aufgebaut.

Das euphorische Gefühl, das dann einsetzte, verschwand auch nicht, als die Polizei ankam und uns wegschicken wollte. Wir riefen und sangen ihnen unsere Sprüche und Lieder entgegen und konnten gar nicht damit aufhören, uns ungläubig umzusehen, weil wir es kaum realisiert haben, dass wir es wirklich geschafft hatten: Wir haben die wichtigste Zufahrtsstraße zu dem Ort blockiert, an dem dieses Treffen stattfindet, das wir so unaushaltbar finden.
Einige Menschen konnten noch zu unserer Blockade hinzustoßen, so dass wir schließlich über 30 Leute waren. Wir wurden dann auch relativ schnell geräumt, doch das hat uns nicht davon abgehalten, uns an einer anderen Stelle einfach wieder auf die Straße zu setzen. Dort haben wir dann auch all die Autos gesehen, die wir blockiert haben: Schwarze, edle Busse mit “G7-Summit”-Schild an der Frontscheibe. Diese Blockade wurde länger aufrecht erhalten, als die erste. Irgendwann wurde uns angekündigt, dass wir alle in Gewahrsam kommen würden, egal ob wir jetzt aufstehen oder nicht. Unsere Bezugsgruppe ist nicht aufgestanden, die Polizist_innen mussten sich schon die Mühe machen und uns wegtragen.

Danach folgte das übliche Prozedere: Personalienfeststellung, Durchsuchung, Abtransport. Was eher unüblich war, war, dass das Gebäude, in dem die Polizei untergebracht war, sehr herrschaftlich eingerichtet, jedoch auch sehr baufällig war: So mussten wir unter Kronleuchtern und auf bordeaux-rotem Teppich warten, unsere Identität wurde aber in einem Raum mit offenen Decken und unverputzten Wänden überprüft. Wie sich nämlich herausstellte, sollten wir gar nicht in Gewahrsam kommen, es sollte nur unsere Identität überprüft werden. Als das geschehen war, waren wir auch ziemlich schnell wieder draußen und konnten gemeinsam zum Camp zurück gehen.

Dort konnten wir essen, uns ausruhen, verabschieden, Sachen zusammensammeln und ein bisschen resümieren, wie die letzten Tage für uns gewesen waren.
Die richtige Auswertung kommt noch, aber was sich jetzt auf jeden Fall schon sagen lässt ist Folgendes:
Wir alle sind mit den Aktionstagen im Großen und Ganzen zufrieden. Die misslungene Aktion am Samstag und auch die untransparente Arbeit der Blockade-AG waren zwar enttäuschend, dagegen waren die erfolgreichen Blockaden am Sonntag aber wahnsinnig euphorisierend, weil mensch das Gefühl hatte, dort Teil von etwas Großem zu sein.
Die Vorstellung die wir von den G7-Protesten hatten, als wir mit den Vorbereitungen angefangen haben, wurde sicher nicht erfüllt. Dafür wurde der Gipfelort einfach zu sehr abgeriegelt und dazu waren die Aktivist_innnen auch einfach zu wenig. Wir haben uns aber trotzdem darüber gefreut, dass wir zwischenzeitlich im Camp mehr als 1000 Menschen waren und dass tatsächlich noch eingreifende Blockaden zustande gekommen sind.
Außerdem haben wir von JunepA für uns gemerkt, dass wir uns in Zukunft gerne noch öfter in solchen Großbündnissen einbringen möchten, weil wir das Gefühl haben, dass uns das weiterbringt und wir mit unseren Fähigkeiten auch eine Bereicherung für die Bündnisse sein können.
Der nächste Gipfel kommt (leider) bestimmt. Aber klar ist, dass wir dann auch wieder da sein werden.
Es gilt immer noch: G7-Gipfel? Nicht mit uns. Ohne uns aber auch nicht.

Version 2:

Die Analyse

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Der G7-Gipfel liegt hinter uns, wir haben uns alle wieder von Sonne und Aktionsnachwirkungen erholt. Die Tage in Bayern waren für uns alle eine besondere Erfahrung. JunepA war zum ersten Mal Teil eines Großbündnisses und das Wetter, erschwerte Aktionsbedingungen und die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen haben uns vor emotionale und inhaltliche Herausforderungen gestellt.

Camp:
Das Camp lag am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen, neben einem Gebirgsfluss, inmitten einer wunderschönen Bergkulisse. Der Kontrast zwischen bayerischer Idylle und Geschäftigkeit im Camp war manchmal schon fast unwirklich. Das Camp war eine bunte Mischung von Privatzelten und Gruppenzelten, Abstimmungsverfahren und Basisdemokratie, deutsch- und anderssprachigen Menschen und vor allem von vielen unterschiedlichen Meinungen und Ansichten. Über Unterschiede im Aktionsverhalten wurde im Camp-Plenum jedoch nicht gesprochen – es hofften wohl alle, dass es am Ende schon irgendwie gut gehen würde, auch wenn während einer Blockade Welten aufeinander prallen würden – was tatsächlich funktionierte.

Anwohner_innen:
Eine riesige und unerwartete Unterstützung gab es von den Einheimischen. Im Vorfeld wurde von Polizei und Presse verbreitet, dass wir Aktivist_innen dort unerwünscht seien. Das haben wir während der Aktionstage vollkommen anders erlebt. Es kamen im Camp oft interessierte Menschen vorbei, nicht selten mit Kuchen oder anderen Essensspenden. Wenn mensch auf der Straße, im Krankenhaus oder auf der Suche nach einem trockenen Ort Anwohner_innen getroffen hat, sind die einem meistens mit Offenheit, Interesse und auch oft Bewunderung begegnet. Wir haben öfters Sätze gehört wie “Vielen Dank, dass ihr hier seid” oder “Ihr seid so mutig, hört nicht auf damit”.

Polizei:
Es gab sehr viele unterschiedliche Erfahrungen mit der Polizei, einige waren positiv, viele negativ. Fakt ist, dass dieses Polizeiaufgebot von 20.000 Polizist_innen übertrieben war (selbst wenn mensch selbst nicht der Meinung ist, dass jede_r Polizist_in ein_e Polizist_in zu viel ist) und nicht zur Entspannung der Atmosphäre beigetragen hat. Bei der Demo am Samstag gab es einen massiven Polizeieinsatz, bei dem es viele durch Schlagstock und Tränengas Verletze gab. Außerdem hat die Polizei immer wieder Aktivist_innen festgehalten, durchsucht und kontrolliert und auch ansonsten immer wieder Dinge gemacht, die überflüssigerweise zeigen sollten, wer die_der Stärkere ist.
Jedoch gab es auch von Polizei-Seite einige positive und wertschätzende Kommentare über das, was wir da machen. Schade nur, dass diese Polizist_innen nicht auf ihre überforderten und vollkommen unverhältnismäßig handelnden Kolleg_innen einwirken konnten….

Aktionen:
Bezogen auf die Aktion bzw. deren Erfolg waren die Gipfeltage ein emotionales Auf und Ab. Es fing damit an, dass es eigentlich keine Informationen zu einer möglichen Blockadeplanung gab, so dass blockadewillige und aktionsfähige Bezuggruppen wie wir vor dem Rätsel standen, ob es besser ist, auf eine Ansage der Blockade-AG zu warten oder unabhängig zu versuchen, irgendwo zu blockieren. Wir haben uns für ersteres entschieden, was jedoch zur Folge hatte, dass es am Samstag keine Blockade gab (was auch an dem Verhalten der Polizei lag). Dass wir es nicht geschafft hatten, an dem Tag zu blockieren, war ziemlich enttäuschend, vor allem, weil wir wenig Hoffnung hatten, dass wir noch mal so nah an eine Stelle kommen würden, an der eine Blockade Auswirkungen hätte.
Am nächsten Tag haben wir uns aber dann doch auf dem Camp entschieden, es noch mal zu probieren und hatten tatsächlich Erfolg: Mit Kleingruppen sind wir zur, G7-logistisch gesehen, sehr wichtigen B2 gelangt und haben dort mit 30-50 Menschen blockiert. Die erste Blockade war relativ schnell geräumt, doch wir haben uns einfach wieder hingesetzt und konnten noch mal effektiv blockieren.

Fazit für uns:
Dadurch, dass wir es am Ende doch geschafft haben, den G7-Gipfel zu blockieren, waren die Aktionstage insgesamt sehr erfolgreich für uns, denn wir waren ja nicht nur in Garmisch-Partenkirchen unterwegs, sondern haben ein paar Tage vorher in München eine spektakuläre Kletteraktion auf die Beine gestellt.
Aber auch abgesehen von den Aktionen haben wir von JunepA das Gefühl, dass die Tage in Bayern, aber vor allem auch die Vorbereitung und die Zusammenarbeit mit einem Großbündnis sehr bereichernd für uns waren.
Einige Dinge sind schief gelaufen, vieles machen wir beim nächsten Mal anders und hoffentlich besser. Wir sind hochmotiviert, weiterhin solche Aktionen zu organisieren und auch Teil von Großbündnissen zu sein, weil wir den Eindruck hatten, dass wir mit unserer Arbeit gut zum Gelingen des Ganzen beitragen können.