Brief #1 von Clara

Lüneburg, 15.03.2019

Hallo liebe Menschen,

am Donnerstag gehe ich ins Gefängnis. Ich mache das, weil ich 2016 mit anderen zusammen die Startbahn des Atomwaffenlagers Büchel besetzt habe und nun in dritter Instanz wegen Hausfriedensbruch verurteilt wurde. Ich möchte die Geldstrafe aber nicht einfach so zahlen, sondern mit meinem Gang ins Gefängnis noch mal ein stärkeres Zeichen gegen Atomwaffen und für eine friedlichere Welt setzen. Ich stehe zu unserer Aktion, würde es genau so noch einmal tun und gehe deswegen aufrecht ins Gefängnis.

Immer mehr Friedensaktivist_innen werden kriminalisiert und das möchte ich sichtbar machen. Ich bin überzeugt: Wir tun nichts Unrechtes, wenn wir uns gegen Atomwaffen einsetzen, nicht wir sind die Verbrecher_innen, sondern die Kriegstreiber_innen dieser Welt.

Trotz aller Überzeugung, Motivation und Neugier bin ich auch aufgeregt. Ich begebe mich in ein paar Tagen in eine Situation, die ich nicht kenne. Die die wenigsten von uns kennen. Ich weiß nicht, was mich erwartet, weiß nicht, wie ich mich fühlen werde, wenn ich nicht mehr selbst über meinen Tagesablauf, meine Mahlzeiten, meine Türklinke bestimmen kann. Ich mache mir Gedanken darüber, was und wer mir im Knast begegnen wird und wie ich mit der Situation umgehen werde. Hier draußen genieße ich die Freiheit, Luft um mich herum, Unabhängigkeit, den kommenden Frühling. Eine Woche lang werde ich davon ausgesperrt – oder eingesperrt?

Und dabei ist genau das, dass ich eben „nur“ eine Woche eingesperrt bin, ein riesiges Privileg. Im Gegensatz zu den meisten Gefangenen auf dieser Welt weiß ich, wann ich das Gefängnis wieder verlassen darf. Ich weiß, dass ich den Frühling noch mitbekommen werde, bevor es Sommer wird. Ich gehe selbstbestimmt ins Gefängnis und selbstbestimmt auch wieder raus. Das Wissen darüber gibt mir den Mut und die Hoffnung, das Ganze überhaupt zu machen. Und ich wünschte, dass viele andere Gefangene diese Hoffnung auch hätten.

Ich gehe alleine ins Gefängnis, aber irgendwie auch nicht. Hinter mir stehen viele Menschen, die schon das gleiche getan haben oder das gleiche tun würden oder mich einfach so in dem unterstützen, was ich tue. Sie werden bei der Mahnwache vor der JVA Hildesheim auf mich warten, werden mir Briefe schreiben, werden mit anderen Leuten über mich und die Atomwaffen sprechen und nebenbei neue Aktionen in Büchel beim Atomwaffenlager organisieren. Dafür bin ich unendlich dankbar. Ich bin Teil einer ganzen Bewegung, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzt, dass endlich Schluss ist mit den Massenvernichtungswaffen.

Und ich bin Teil einer ganzen Generation, die gerade für ihre Zukunft kämpft. Wenn ich am Donnerstag ins Gefängnis gehe, dann mache ich das in Solidarität mit all denen, die gerade ihre Stimme erheben und die immer mutiger werden. Mit den Jugendlichen, die freitags auf der Straße sind, mit den Frauen*, die für mehr Selbstbestimmung und Gerechtigkeit kämpfen, mit den Klimaaktivist_innen die immer öfter eingesperrt werden, mit den Seenotretter_innen auf dem Mittelmeer und mit all den Menschen, die in ihrem Alltag Mauern einreißen und sich aus alten Gefängnissen befreien.

Ich bin gespannt auf alles was kommt.

Liebe Grüße und bis bald,

Clara

3 Antworten auf „Brief #1 von Clara“

  1. Liebe Clara
    Du hast meinen Respekt für deine aufrechte, nachvollziehbare Haltung.
    Solidarische Grüße aus dem Wendland.
    Margitta Freund, Dommatzen

  2. Hallo Clara
    Ich habe enige Bücher zu dem Thema dass Dich bewegt veröffentlicht. Du kennst die Bücher sicher über Deinen Vater, der froh sein kann eine solche Tochter zu haben. Eine meiner 4 Töchter ist Erste Staatsanwältin in Hamburg. Sie macht diesen Job weil sie es besser machen will. In Deinen Prozeß war sie leider nicht involviert. Ich wünsch Dir viel Erfolg mit Deiner „Strafe“, die hoffentlich Erkenntnisse bringt (auch für die Verfolgungsbehörde). Ich habe übrigends meine Strafe als „Total Kriegsdientverweigerer“ auf einer Backe abgesessen.
    Liebe Grüsse
    Günter Zint

  3. Liebe Clara!
    Respekt!
    Solidarische Grüße aus dem Wendland.
    Gerhard Harder
    Saggrian

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